Von einem deutschen Finanzdienstleister haben wir den Auftrag bekommen, ihn bei der Einführung eines CRM Systems zu unterstützen.
In dieser zweiteiligen Artikelserie gebe ich unsere Erfahrungen in diesem Projekt weiter.
CRM ist die Abkürzung für Customer-Relationsship-Management (zu deutsch: Kundenbeziehungs-Managamenet). Es bezeichnet die konsequente Ausrichtung eines Unternehmens auf die Bedürfnisse der Kunden.
In Deutschland gibt es noch großen Entwicklungsbedarf in Bezug auf Kundenorientierung, obgleich verstanden wird, dass diese Kundenorientierung ein zentraler Wettbewerbsfaktor ist (Siehe 1) ).
CRM Systeme wollen Unternehmen bei ihren Kundenbeziehungs-Prozessen unterstützen. Wichtigste Erkenntnis ist hierbei, dass mit einem CRM System keine Kundenorientierung geschaffen wird - ein CRM System unterstützt lediglich die Mitarbeiter bei den an den Kundenbedürfnissen ausgerichteten Geschäftsprozessen. Die Kundenorientierung muss aber jedes Unternehmen für sich selber schaffen.
Ohne Ausrichtung der Geschäftsprozesse an die Bedürfnisse des Kunden nützt die Anschaffung eines CRM Systems nicht. Oder - noch kürzer: erst CRM, dann CRM System.
Da CRM vorrangig die Kommunikation mit den Kunden betrifft, werden CRM Systeme häufig in den Abteilungen Marketing, Vetrieb und Service/Support eingesetzt. CRM Systeme bieten vor allem die Verwaltung von Kundenbeziehungen, Verkaufspotentialen und Leads, und bieten Tools zur Unterstützung der Kommunikation (z.B. Email-Marketing).
Bei unserem Kunden handelt es sich um eine Versicherung, die vornehmlich auf dem deutschen Markt tätig ist. Branchenüblich ist fast die gesamte Belegschaft in der Verwaltung tätig, einer großer Anteil der Geschäftsprozesse findet im Kundendialog statt. Von der Einführung des CRM Systems wird erwartet, den Kundendialog künftig transparenter und effizienter gestalten zu können.
Zudem erhofft man sich von einer CRM Lösung einen wesentlich komfortableren Zugriff auf die Daten eines Kunden, als es mit der bestehenden ERP Lösung möglich ist. Die bestehende Lösung läuft auf einer IBM iSeries; der Bedienzugang erfolgt über ein ASCII-Maskensystem.
Als Werkzeuge kamen in Betracht
SalesForce
SugarCRM
Microsoft Dynamics
vTiger
SalesForce als SAAS/Cloud Anbieter besitzt ein ausgereiftes Produkt, welches zudem sehr flexibel konfigurierbar ist. Wir bei CosmoCode haben bereits in anderen Projekten mit SalesForce Erfahrungen gesammelt und waren von der Vielseitigkeit der Konfigurationen wie auch der Anbindung über APIs positiv überrrascht.
CRM in der Cloud?
Eine Cloud-Lösung hat viele Vorteile (Wartung, Updates), allerdings tuen sich Unternehmen in Deutschland traditionell schwer, Kundendaten in die Cloud zu verlagern. (Ausnahme: Internet-Firmen. Diese haben es da leichter, denn dort liegen in der Regel ohnehin alle Kundendaten im Web. Aber die Datenpannen von Sony - gehackte Kundenkonten - und Amazon - Cloudcrash mit Datenverlusten - zeigen, dass die Sorgen nicht ganz unberechtigt sind.)
Weiterer Kritikpunkt: Die Kosten. Bei unserem Kunden soll die CRM Lösung von rund 50 Mitarbeitern verwendet werden. Die SalesForce-Kosten (zum Zeitpunkt der Entscheidung) lagen bei rund 300€ pro Nutzer und Monat; das macht pro Jahr rund 180.000 €. Pro Jahr.
Microsoft Dynamics war durchaus ein interessanter Kandidat, denn die nahtlose Verknüpfung von Office und Outlook ist dann interessant, wenn man eine Microsoft-basierte IT-Landschaft hat. In dem Fall unseres Kunden ist das aber nicht durchgängig der Fall. Natürlich ist auch dort Outlook und Office vorherrschend, die Kern-IT aber lagert in einer IBM, die nicht direkt in die Office/Microsoft-Welt eingebunden ist. Auch die mangelnde Offenheit des Microsoft-Systems wurde negativ bewertet: gerade weil viele unterschiedliche Bestandslösungen bestehen, ist davon auszugehen, dass Anpassungs- und Integrationsaufgaben im größerem Maße entstehen (und fortlaufend entstehen werden). Hier verspricht man sich mehr von einer offenen Architektur, bei der Anpassungen in allen Schichten der Software möglich sind. Zudem hat man sich auch mit Weblösungen angefreundet, bei denen Nutzer (via VPN) in einem geschützten Bereich auf die Applikation zugreifen können, ohne bei Änderungen/Erweiterungen/Patches stets Installationen auf den Mitarbeiter-Rechnern durchführen zu müssen - denn auch das verursacht laufende Kosten.
SugarCRM hat als OpenSource Lösung da bessere Karten. Die grundlegenden Funktionen sind ähnlich wie bei SalesForce, die API allerdings nicht so mächtig; dafür gibt es elendig viele Module (www.sugarforge.com). Nunja, OpenSource ists eigentlich nur bedingt. Die eigentlich interessanten Feature müssen in einer Professional (360 USD/User/Jahr) oder Enterprise Version (600 USD/User/Jahr) erkauft werden. Auch das rechnet sich jährlich zu immerhin 21.000 USD, die man auch in die Entwicklung stecken könnte. Indem man eine „echte“ OpenSource Lösung nimmt wie vTiger, die (vor 5 Jahren) aus SugarCRM geforkt wurde.
Fazit: Nach einer Testinstallation von vTiger zeigte sich, dass die Grundstrukturen des Systems auf die Anforderungen passen bzw. per Modul vorhanden sind. Die Entscheidung fiel zugunsten vTiger.
Die konkreten Anforderungen, welche Daten im CRM System abgebildet werden müssen, können erst im Projektverlauf geklärt werden. Unser Kunde hat ein großen Anteil am Projekterfolg - er muss die Anforderungen für alle Prozesse und Workflows im mit den Fachabteilungen klären und auch die einzubindenden IT Systeme benennen. Ein Vorgehen zum Festpreis nach Pflichtenheft ist hierbei nicht realistisch - im Gegenteil: es steckt Kunde und IT-Diensleister in ein zu enges Korsett. Denn für einen Werkvertrag müssten vorab alle Leistungsmerkmale auf den Tisch (bzw. in das Pflichtenheft) gelegt werden - das ist nicht sonderlich realistisch.
Statt dessen wurde entschieden, die Entwicklung in einem dynamischen, evolutionären Prozess zu realisieren. Hierbei haben wir das Scrum Modell gewählt:
Es gibt einen groben Pool von Aufgaben, die erledigt werden müssen
Die Feinplanung erfolgt jeweils zyklisch im Zwei-Wochen-Raster (Sprint-Zyklus) gemeinsam mit dem Kunden.
In jedem Zyklus arbeiten Kunde und Dienstleister gemeinsam (Kunde muss Daten und Informationen zusammenstellen, Dienstleister entwickelt die Lösungen)
Mit jedem Sprint-Zyklus reift das System und gibt dem Kunden die Möglichkeit, Akzeptanz und Bedarf des Systems im Hause mit seinen Kollegen abzugleichen.
Als Entwicklungshorizont wurde grob ein halbes Jahr veranschlagt.
Lesen sie weiter in Teil 2: Datenflüsse, Modellierung, Softwareanpassung und Fazit