CosmoCode ist gerade dabei, VoIP einzuführen. Wie es uns dabei ergeht, davon handelt dieser Artikel.
Motivation
Die Beweggründe für den Wechsel einer klassischen ISDN-Anlage zu einer VoIP-Lösung sind folgende:
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Unsere derzeitige (zugegebenermaßen recht betagte) Auerswald ISDN Anlage wird von einem (nicht minder betagten) Notebook betrieben. Wir wünschen uns aber eine webbasierte Konfiguration, bei der potentiell jeder Mitarbeiter seine eigenen Weiterleitungen einrichten kann.
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An der ISDN Anlage hängen 5 Telefone, was für unseren gewachsenen Mitarbeiterstamm (summa sumarum > 15 Mitarbeiter) längst nicht mehr ausreicht.
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Da bei uns alle Mitarbeiter an Rechnern sitzen, ist eine computergestützte Anwendung mit Headsets naheliegend.
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Für externe Mitarbeiter oder entfernt arbeitende Kollegen ist es praktisch, sich überall in die TK-Anlage nahtlos einklinken zu können - als wär man im Office.
Viele der genannten Funktionen lassen sich natürlich auch mit „klassischer“ Telefonie und CTI-Lösungen bewerkstelligen; als IT'ler bevorzugen wir eine IT anstelle einer TK-Lösung.
Anforderungen und Dienstleister-Qual
Vom Wunsch zur Wirklichkeit war es allerdings ein langer Weg. Da es ja mit Asterisk eine OpenSource-VoIP-Anlage gibt (und wir viel OpenSource verwenden), warteten wir auf eine projektfreie Zeit, in welcher wir die Einarbeitung in die für uns neue Technologie vornehmen würden. Leider - bzw. zum Glück - hatten wir soviel zu tun, das wir statt dessen lieber auf die Hilfe professioneller VoIP Dienstleister zurückgreifen wollten. Also haben wir die Leistungsanforderungen zusammengeschrieben und an eine Handvoll Dienstleister aus dem Berliner Raum verteilt. Hier ein Auszug aus den Anforderungen:
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6 mobile VoIP Handset (pro Raum eines)
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diverse Weiterleitungsregeln (wenn Softphone nicht angemeldet: Mailbox. Wenn nicht abgenommen wird: aufs Raumtelefon weiterleiten u.s.w.)
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LDAP Integration (damit wir unser ConTagged anbinden können)
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Nachrichten auf der Mailbox sollen per Email zugestellt werden
Angeboten wurden uns fertige Out-of-the-box-Lösungen (Hardware+Software), gehostete Lösungen, Individuallösungen auf Basis von Asterisk und: ISDN-Anlagen. Ja - ein ITK-Dienstleister war tatsächlich dreist genug, ohne jegliches VoIP KnowHow bei uns aufzukreutzen und mit fester Stimme seine ISDN Verkaufsgespräche abzuleiern.
Ein anderer Dienstleister - der uns ein sehr gutes Angebot gemacht hatte und eigentlich unsere Wahl war - ist nach 3 Monaten spurlos verschwunden.
Insgesamt waren die Erfahrungen mit Dienstleistern der ITK-Branche dahingehend erhellend, dass wir nunmehr viel Verständnis für die Skepsis von Kunden im IT-Sektor aufbringen können.
Die Entscheidung
Nun, wir haben uns für ein günstiges Angebot einer Hostinglösung entschieden. Zugesichert war, das alles nach 14 Tagen steht. Leider klappte es mit dem ausgewählten Dienstleister nicht reibungslos: Nach 14 Tagen stand natürlich nix, und plötzlich sollten die Einrichtungen der Weiterleitungsregeln separat beauftragt (und bezahlt) werden; schließlich gab es bei der Einrichtung derselben jede Menge Fehler und ungewünschte Seiteneffekte.
Die „Eigenentwicklung“ des Dienstleisters entpuppte sich schnell als Asterisk mit angedockter Web-GUI, dem PBX-Manager. Leider scheint die „Integration“ allerdings recht lieblos zusammengestellt zu sein: viele in der webbasierten Konfigurationsoberfläche verfügbaren Parametrisierungen funktionieren nicht. Aber schließlich - immerhin - konnte jeder Mitarbeiter via VoIP telefonieren. Von einem professionellem Dienstleister hätten wir allerdings mehr erwartet; das hier erinnerte eher an Hobbythek.
Unsere VOIP Infrastruktur
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Rufnummernblock (30 Nummern) von QSC
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ebenso das VoIP Routing (5 parallele Kanäle)
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Gigabit-switches (ohne Quality of Service) in unserem
LAN
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gehostete VoIP Anlage
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Gateway mit
QoS (VoIP Präferierung, damit große Downloads nicht die Telefonie stören)
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SNOM m3 Hardphones (mobile Handgeräte, von denen je 3 via DECT an eine VoIP Basisstation angeschlossen sind)
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Zoiper Softphones (gibts kostenlos und als Businessversion, läuft unter Linux, Windows und Mac)
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eine ISDN Leitung als Fallback sowie fürs Fax, das unter VoIP bei schwankenden Transferraten zu Problemen neigt
Alle Arbeitsplatz-PC's sind wie gesagt mit Zoiper Softphones ausgestattet. Zoiper bietet die Möglichkeit, die Anrufsignalisierung („Klingeln“) auf ein anderes Audiodevice zu legen als die eigentliche Gesprächsführung; das ist wichtig, um das Klingeln auch bei abgesetztem Headset zu hören. Leider hat Zoiper keinen LDAP-Support, man kann aber mit ein paar Tricks Adressbücher importieren, was besonders bei der Anrufsignalisierung hilfreich ist.
Die Sprachqualität ist in der Regel durchschnittlich; bei manchen Telefonaten hat man eine Halb-Duplex Anmutung (nur einer kann reden). Echos sind bei vielen Gesprächen vorhanden (Zoipher bietet eine Echo-Unterdrückung, hab ich noch nicht ausprobiert).
Die SNOM-Telefone funktionieren gut, haben aber für den VoIP-typisch hohen Preis eine etwas billige Haptik und ein rutschiges Tastenfeld. Die SNOM-Phones holen sich via DHCP ihre IP. Ärgerlich: wenn das Netz kurzfritig gestört ist, müssen die SNOM Basisstationen manuell resettet werden. Der Default-Klingelton der SNOM's ist nervtötend.
Zoiper funktioniert tadellos; die Weiterleitung ist allerdings seltsam (auf einem zweiten Kanal mit dem Weiterleitungsziel das Gespräch ankündigen, dann die zweite Leitung wieder schliessen und das Hauptgespräch ohne weitere Rücksprache durchstellen). Ärgerlich ist, das (zumindst unter Mac) die Zoiper-Anwednung nicht in den Vordergrung poppt, sobald ein Anruf einrifft.
Die Sprachqualität bei den Softphone hängt erheblich von den verwendeten Headsets ab. Hier ist es vernünftig, eine einheitliche Lösung einzusetzen. Bisweilen ist die Empfindlickeit der Mikros so hoch, dass das Gespräch nur verzerrt ankommt.
Fazit
Die neue Telefonielösung schafft uns neue Möglichkeiten und entlastet vor allem die Zentrale, die nun nicht mehr Vermittlungsstelle sein muss. Die Sprachqualität ist nicht immer zufriedenstellend, und wie bei jedem Technologiemix ist keiner dafür zuständig. Der Umgang mit den Headsets und Softphones ist gewöhnungsbedürftig.
Das vermutlich größte Manko der VoIP-Lösung ist Quality of Service und die steigende Abhängigkeit von der IT-Struktur. Ein Ausfall der Standleitung oder wichtiger IT-Komponenten (Gateway, Router etc) macht einen nunmehr nicht mehr nur offline, sondern komplett unerreichbar.
Last but not least: Bei VoIP ist man was die Preise angeht wieder in der Steinzeit. Während überall Flatrates angeboten werden, zahlt man bei VoIP wie damals für Einzelverbindungen - zusätzlich zum IP-Traffic wohlgemerkt.
Wir werden für die Übergangszeit auf jeden Fall noch eine ISDN-Leitung als Fall-Back betreiben.